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Den nach allgemeinem heutigem Verständnis einzigen amtlichen Neudruck habe ich Ihnen auf dieser Seite vorgestellt. Sie finden in alter Literatur aber noch eine andere Lesart des Begriffs „amtlicher Neudruck“: Bei Ohrt werden die „Berliner Neudrucke“ von Goldner als amtlich bezeichnet; zur Begründung schreibt Ohrt „Die obigen Neudrucke […] sind deshalb als ‚amtliche Neudrucke‘ bezeichnet, weil sie von einer Behörde (Postamt bzw. Gouvernement in Helgoland) bestellt und für sie durch Goldner bezahlt wurden. Der Zweck dieser Neudrucke, die allerdings nur für den Händler Goldner bestimmt waren, ändert an der amtlichen Bestellung nichts.“
Heute sieht man das anders: Lemberger bezeichnet diese Berliner Neudrucke als amtlich vermittelte Privatneudrucke, während die späteren Leipziger und Hamburger Neudrucke als reine Privatneudrucke anzusehen sind. Dieselbe Unterscheidung finden Sie auch im Michel „Deutschland-Spezial“.
Die Neudrucke Helgolands sind untrennbar mit dem Namen Goldner verbunden. Wer war dieser äusserst aktive Marken-Produzent, dem die Philatelie etwa drei bis fünf Millionen (!) Helgoland-Marken „verdankt“?
Was das Erzeugen von Neudrucken angeht, ist eine gewisse Seelenverwandschaft zwischen dem Hamburger Goldner und dem Brüsseler Moens erkennbar, die auch geschäftlich zusammenarbeiteten. Während aber Moens, neben seinen geschäftlichen Aktivitäten, ein durchaus seriöser Philatelist und in der Fachwelt hoch angesehen war, hat man bei Goldner den Eindruck, er sei, nett formuliert, eher Filoutelist als Philatelist gewesen. (1) Was er mit seinen Helgoland-Marken anstellte, würde ihn wohl, selbst bei wohlwollendster Betrachtung, nicht für eine Mitgliedschaft in der → Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e. V. empfehlen – dazu unten mehr.
Wir gehen zurück in das Jahr 1875. Gouverneur Helgolands war damals Henry Fitzhardinge Berkeley Maxse (* 1832, + 1883, ab 1877 „Sir Henry“), der dieses Amt von 1863 bis 1881 bekleidete. (Bis 1868 war der Posten der eines „Lieutenant-Governor“, erst 1868 wurde er zum „Governor“.) Am 14. Februar eben dieses Jahres 1875 wurden die Ausgaben in Hamburger Schilling-Währung (MiNr. 1–10) ausser Kurs gesetzt; der gesamte Marken-Restbestand wurde vom Hamburger Händler Julius Goldner gekauft. So weit, so gut.
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Ein heute seltenes Dokument dieses Verkaufs ist dieser Bogen der MiNr. 3: Goldner hat einige der von ihm erworbenen Originalbogen am Rand mit „JG“ signiert. |
Herr Goldner stellte bei Durchsicht seiner frisch erworbenen Helgoland-Marken fest, dass einzelne Werte darin nicht vorkamen. (Lemberger gibt z. B. für MiNr. 1 und 2 keine, für die Nummern 3 und 4 dagegen erhebliche Restbestände an.) Goldner wünschte daher zur Komplettierung seines Bestandes Neudrucke. Der Goldner gegenüber offenbar positiv eingestellte Gouverneur unterstützte diesen Plan.
Eine erste Neudruck-Bestellung, die vom Helgoländer Gouvernement – mit Goldner als Auftraggeber – an die Reichsdruckerei in Berlin übermittelt wurde (dort waren auch die Originale hergestellt worden), wurde nicht ausgeführt: Die Reichsdruckerei war schliesslich nicht irgendeine Druckerei, bei der man „eben mal so“ ein paar Briefmarken bestellen konnte; Aufträge von Privatpersonen wurden dort nicht angenommen. Die Bestellung wurde also am 31. März 1875 erneut aufgegeben, diesmal vom Helgoländer Postamt, das um Ablieferung der Marken direkt an Goldner ersuchte. (Daher die Bezeichnung „amtlich vermittelte Neudrucke“.) Formal war diese Neudruck-Bestellung korrekt und wurde von der Reichsdruckerei auftragsgemäss ausgeführt. So weit immer noch ganz gut.
Jetzt wurde Herr Goldner aber erst richtig munter: Am 14. Januar 1879 kaufte er vom Helgoländer Gouvernement alle Druckplatten der Schilling-Werte – damit hatte er jetzt das Monopol für Neudrucke dieser Marken.
Die 1875/76 ausgegebenen Marken zu 1, 2 und 3 Pfennig (MiNr. 11, 12 und 17) waren zwar bis zum 12. 6. 1880 gültig, wurden jedoch schon Anfang September 1879 eingezogen. Goldner erwarb am 24. September 1879 auch die Druckplatten dieser Marken, ausserdem noch die der Postkarten zu 5 Pfennig, der 10-Pfennig-Briefumschläge und des 3-Pfennig-Streifbandes.
Goldner liess weiterhin, bis 1885, in immer neuen Auflagen Neudrucke bei der Reichsdruckerei in Berlin von jetzt seinen Druckplatten herstellen. Die formal erforderliche Genehmigung bekam er weiterhin vom Gouverneur; auch der Nachfolger von Maxse, John Terence Niolls O’Brien (* 1830, + 1903, Gouverneur von 1881 bis 1888), erteilte jedesmal problemlos die gewünschte Genehmigung.
Im Jahre 1888 änderte sich die bisher für Goldner so günstige Situation. (2) Nachfolger von O’Brien als Gouverneur von Helgoland wurde Arthur Cecil Stuart Barkly (* 1843, + 1890, Amtszeit als Gouverneur 27. 11. 1888 bis 9. 8. 1890). (3)
Obwohl die Reichsdruckerei schon 10 Jahre lang Neudrucke für Goldner hergestellt hatte, bestand man dort nach wie vor bei jeder Auflage auf einer „offiziellen“ Genehmigung. Barkly verweigerte Goldner jedoch die Genehmigung für weitere Neudrucke.
Nachdem die Reichsdruckerei als Neudruck-Lieferant nicht mehr zur Verfügung stand, musste Goldner sich nach einer anderen Druckerei umsehen. Die Druckplatten hatte er legal erworben, so dass er damit auf dem „freien Markt“ nach einem geeigneten Betrieb suchen konnte. 1888 wurden bei der Druckerei Giesecke & Devrient in Leipzig (4) weitere Neudrucke „in unbekannter, aber sehr grosser Auflagemenge“ (Ohrt) hergestellt.
Es gibt nach der Literatur keine Hinweise darauf, dass Goldner mit den Erzeugnissen der Leipziger Druckerei unzufrieden gewesen wäre; sein Wechsel zu einem Hamburger Betrieb hatte wohl logistische Gründe: Da er für jeden Neudruck der Druckerei seine Original-Druckplatten zustellen musste, sparte es Zeit und Geld, eine Druckerei in seiner Heimat Hamburg statt im entfernten Leipzig zu beauftragen.
Die Hamburger Druckerei F. Schlotke & Co. druckte zwischen 1891 und 1895 in insgesamt vier Auflagen weitere Neudrucke, bei denen es eine Unzahl von Varianten gibt.
Wo blieben all diese Neudrucke?
Was geschah mit den Millionen von Helgoland-Marken, die Goldner zwischen 1875 und 1895 drucken liess? Neudrucke, die man als solche deklarierte, hätten sich kaum in dieser Stückzahl absetzen lassen. Lesen wir noch einmal bei Ohrt nach: „Namentlich in Helgoland selbst, besonders im Geschäftsviertel, dem sogenannten ‚Unterlande‘, habe ich viele Läden gesehen, welche diese Neudrucke in Kommission hatten und regelmässig als ‚echte Helgoländer Marken‘ verkauften, zumal diesen Verkäufern von Helgoländer Reiseandenken natürlich der Unterschied zwischen Original und Neudruck gänzlich unbekannt ist. Der Fremde, welcher Helgoland besucht und seinen Marken sammelnden Freunden oder Verwandten etwas mitbringen will, fällt regelmässig auf diese Neudrucke herein.“ Dieser Text ist fast hundertzwanzig Jahre alt, aber grundsätzlich hat sich nicht viel geändert: Heute fällt der arglose Sammler beim Erwerb von Helgoland-Marken auf Internet-Auktionen herein … |
Was Herr Goldner mit einigen seiner Neudrucke anstellte, lässt sich – abgesehen davon, wie und als was sie später verkauft wurden – sicher auch nicht mehr als seriöse Philatelie bezeichnen. Er liess sich bereits von den Berliner Neudrucken (2. Auflage) ganze Bogen von im Original nur durchstochen oder gezähnt vorkommenden Marken ungezähnt liefern, ebenso liess er im Original gezähnt nicht vorkommende Marken von der Reichsdruckerei (die erstaunlicherweise, bei aller sonstigen Korrektheit, auf diese Sonderwünsche einging,) gezähnt liefern.
Als die Neudrucke nicht mehr bei der Reichsdruckerei, sondern privat gedruckt wurden, erweiterte Goldner sein Angebot noch einmal: Jetzt gab es auch Marken mit kopfstehend eingedrucktem Oval (einen solchen Bogen gab es möglicherweise sogar schon bei den Berliner Neudrucken) und natürlich weiterhin ungezähnte Ausgaben, die es so nie gegeben hatte. Ab 1888 liess Goldner sich sämtliche Makulatur aus der Druckerei mitliefern – eine Quelle von „Raritäten“ wie Marken mit kopfstehendem Mittelteil, fehlenden oder verschobenen Partien etc.
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Bei der 225. Auktion von → Rauhut & Kruschel im Juni 2024 kam sehr viel Helgoland-Material (Originale und Neudrucke) zum Verkauf; ich konnte dort meine Sammlung signifikant erweitern. Diese beiden Lose habe ich allerdings komplett ignoriert; es sind typische Goldner-Erzeugnisse der Hamburger Zeit. |
Weiter zur Seite „Die amtlich vermittelten Berliner Neudrucke“.
Literatur:
Copyright © 2005–2024 und verantwortlich für den Inhalt:
Erste Veröffentlichung am 25. Juni 2005, letzte Bearbeitung am 22. Dezember 2024.
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