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Bei der Recherche zu diesem Thema stiess ich auf einen Diskussionsbeitrag in einem philatelistischen Forum, in dem der Verfasser sinngemäss die Ansicht vertrat „Ich lasse meine Marken nicht prüfen, weil ich glaube, dass sie echt sind“. Das ist klassische Vogel-Strauss-Politik: Wenn ich gar nicht erst frage, kann ich auch nichts für mich Unangenehmes erfahren.
Es gibt allerdings eine Kategorie von Sammlern, die wirklich keine Expertise brauchen (ich weiss nicht, ob der Schreiber des oben genannten Beitrags in diese Kategorie gehört): Philatelisten, die selbst Experten sind.
Vor über zwanzig Jahren habe ich als Berufsanfänger von einem erfahrenen Kollegen gelernt, dass man in der fachlichen Entwicklung im Beruf vier Phasen durchmacht:
Diese Entwicklung macht man in gleicher Weise in der Philatelie durch, wobei hier aber nur wenige jemals die vierte Phase erreichen – das sind die Sammler, die keine Experten mehr fragen müssen, weil sie selbst inzwischen zu Experten auf ihrem Gebiet geworden sind.
In Deutschland soll es über 3 Millionen Briefmarkensammler geben; ich schätze, dass der Anteil derer, die dieses Stadium erreicht, bei weniger als 1 ‰ liegt. Drei Bedingungen müssen erfüllt sein, wenn Sie wirkliches Experten-Niveau erreichen wollen, und jede davon kann zum „Killer-Kriterium“ werden. Sie brauchen
Es ist weder ehrenrührig noch ein Zeichen von Schwäche, sich selbst einzugestehen, dass man nicht alles weiss, und die Meinung eines Experten einzuholen. Im Gegenteil: „Wer nicht fragt, bleibt dumm“ hiess es schon vor Jahrzehnten in der Titelmelodie der „Sesamstrasse“, und diese Regel dürfen sich auch Erwachsene zu eigen machen!
Beachten Sie bitte, dass die Bezeichnung Prüfer nicht geschützt ist; in Ihrem Interesse sollten Sie darauf achten, dass auch der Prüfer „geprüft“ ist. Bei den Experten, die Mitglied in einem der beiden oben genannten Verbände sind, können Sie sicher sein, dass Sie die Beurteilung Ihrer Stücke jemandem anvertrauen, der über eine langjährig ausgewiesene Fachkompetenz verfügt.
Immer noch werden Marken, in Deutschland gemäss der Prüfordnung des → BPP sogar gewissermassen „ganz offiziell“, durch das Aufbringen eines Stempels auf der Rückseite verunstaltet. Ein wirklich barbarischer Brauch! Was soll dieser Unsinn? Eine Bleistiftsignatur würde völlig reichen (wenn man überhaupt irgendetwas auf die Marke selbst aufbringen muss), denn das Prüfergebnis ist erst einmal für den relevant, der die Marke zum Prüfen geschickt hat. Völlig ad absurdum geführt wird das Ganze durch die in Angeboten manchmal zu findende Bemerkung „mehrfach geprüft“. Was heisst das im Klartext? Richtig: Mehrfache Unsicherheit! Wozu waren also die früheren Prüfungen (und Prüfstempel) wirklich gut?
Prüfer kommen und gehen, denn – nichts für ungut, sehr geehrte Damen und Herren im BPP – auch Prüfer sind nicht unsterblich. Wer kennt denn alle die Personen, die hinter den Namen stehen, mit denen irgendwann einmal signiert wurde? Eine Altsignatur von Kapitän Sachse, Thier oder den Gebrüdern Senf hat ja noch einen gewissen Wert, aber was ist mit anderen Signaturen? Vielfach haben übrigens in alter Zeit auch Sammler selbst ihre Stücke gekennzeichnet, so dass „Signatur“ ohnehin nicht mit „Echtheitsprüfung“ gleichzusetzen ist (1).
Eine klassische Marke ist vielleicht 150 Jahre alt und schon drei Mal geprüft – soll das jetzt ewig so weitergehen, so etwa alle fünfzig Jahre eine neue Signatur?
Abb. links: Diese erheblich durch zahlreiche, teils nicht mehr identifizierbare, Signaturen verunstaltete Markenrückseite gehört zu einer klassischen Rarität aus dem Jahr 1851, für die bei einer Auktion 7000,– Euro aufgerufen wurden. Allmählich wird der Platz auf der Marke knapp …
Fünfzig Jahre sind übrigens noch sehr grosszügig gerechnet: Ansprüche gegen BPP-Prüfer verjähren nach gerade einmal einem Jahr (2). (Beim SBPV sind es bei Ausstellen eines Attestes zehn Jahre (3).) Berndt hat in einem interessanten Artikel ausgeführt, warum man sich beim Kauf nicht mit einem „geprüft“ zufrieden geben, sondern auf einem aktuellen Attest bestehen sollte.
Immerhin hat der BPP 2017 beschlossen, bei höherwertigen Marken auf die Signatur zu verzichten und nur noch Befunde oder Atteste auszustellen. Eine sehr gute Entwicklung, die leider für viele bereits gestempelte Stücke zu spät kommt.
Schon 2005 schrieb ich hier „Erfreulicherweise ist bereits ein, allerdings langsamer, Trend weg von den Signaturen zu Fotoattesten oder ‚Kurzbefunden‘ festzustellen. Vermutlich hat die Verfügbarkeit preiswerter, hoch auflösender Digitalkameras diesen Trend eingeleitet; ein Fotoattest war natürlich in der Analog-Ära wesentlich aufwändiger. Es ist unseren wertvollen Sammelobjekten zu wünschen, dass ihnen weitere verunzierende Stempel in Zukunft erspart bleiben.“ |
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Viel besser als ein Stempel: Ein kurzer Befund mit Bild. |
Bei höherwertigen Stücken bleibt die einzig akzeptable Form der Expertise das klassische, ausführliche Fotoattest (links und unten). |
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(Grosses Bild) |
Ende 2023 hat sich in Deutschland ein neues Prüfergremium konstituiert, die Philatelic Experts. Diese Gruppe renommierter BPP-Prüfer hat sich auf höherwertige, schwerpunktmässig klassische, Ausgaben spezialisiert. Prüfungen erfolgen in der Gruppe mit modernsten technischen Hilfsmitteln, es gibt nur Fotoatteste.
Details erfahren Sie auf der Website → Philatelic Experts.
Leider erfüllen auch die Fotoatteste renommierter Experten nicht immer die Kriterien, die ich oben – rein subjektiv – definiert habe; ich habe das beschrieben, was ich erwarte. Als ich eine „Croce di Savoia“ erwarb, die mit drei, zeitlich eng zusammenliegenden, Fotoattesten angeboten wurde, habe ich mich gefragt, warum der Vorbesitzer wohl gleich drei Experten befragt hat. Vielleicht lieferte ihm erst das dritte die Informationen, die er erwartet hatte? Schauen Sie sich die drei Atteste selbst an:
Sorani ist ein bekannter Name; als Echtheitszertifikat könnte man sich mit diesem Attest (ausgestellt am 11. Februar 2009) zufriedengeben. Erwähnt werden der Stempel, die allseits breiten Ränder und der perfekte Zustand, natürlich Ausgabedatum und Katalognummer. |
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Raybaudi übt sich einen Monat später im Minimalismus: Echtheit und der Zustand werden erwähnt - das war’s. Für das renommierte Haus etwas dürftig. |
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Im Mai 2009 bekam der Besitzer bei Merone dann endlich ein Attest, das sein Geld wert war: Exakte Farb- und damit Katalognummern-Bestimmung, Plattierung der Marke mit Literaturangabe und vor allem ein Hinweis auf die besondere, seltene Abstempelung. |
Ich habe in der Einleitung zu dieser Website darauf hingewiesen, dass ich in meiner Einstellung zum Thema Prüfzeichen sehr stark durch die Bücher von Kurt Karl Doberer geprägt wurde. Es ist also durchaus angemessen, diese Seite mit einem Zitat aus einem seiner Werke zu schliessen, das zwanglos zu einem meiner Lieblingsthemen überleitet, nämlich der Bedeutung von Literatur für den engagierten Sammler:
„Bei Betrachtung des Auktionskataloges finden wir übrigens, daß viele der Marken bereits als ‚geprüft‘ bezeichnet werden. Der Fachmann sieht aber, daß es sich oft um Marken handelt, bei denen die Gefahr einer Fälschung sowieso nicht allzu groß ist. Dazwischen sind dann Marken ungeprüft. Das sind meist die, die unbedingt eine genauere Prüfung erfordern. Dann ist man auf Auktionen mit der Bezeichnung ‚geprüft‘ außerordentlich großzügig. Die Angabe bedeutet oft nur, daß sich hinten auf der Marke ein Stempel befindet. Bei vielen Gebieten, deren Marken einer genauen Prüfung bedürfen, ist es aber so, daß nur der Name von zwei oder drei Experten garantiert, daß sie der richtige Fachmann in der Hand gehabt hat.
Glücklicherweise ist es bei den klassischen Marken nicht ganz so, wie etwa bei den Aufdruckprovisorien bestimmter Länder. Für klassische Marken gibt es einen weiten Stamm von Experten. Die Zugänglichkeit von Literatur und Material ermöglicht diese solide Grundlage. Sie ermöglicht aber auch das einfachste aller Prüfverfahren, nämlich: die Marke selbst zu beurteilen.“
Fussnoten:
Literatur:
Copyright © 2005–2024 und verantwortlich für den Inhalt:
Erste Veröffentlichung am 12. Juni 2005, letzte Bearbeitung am 6. Juni 2024.
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