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Altdeutschland – Bayern
Kurze Geschichte der Mühlradstempel
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Mühlradstempel
Links: geschlossener Mühlradstempel „301“ auf Briefstück mit Bayern MiNr. 4 II und 2 II
Rechts: offener Mühlradstempel „325“ auf Bayern MiNr. 4 II |
Was haben Mühlradstempel, Weisswürste und das Oktoberfest gemeinsam? Es sind bayerische Spezialitäten! Diese Stempelform findet man nur bei den frühen Ausgaben Bayerns, offiziell wurden Mühlradstempel bis zum 9. 3. 1869 verwendet, das heisst, auf den geschnittenen Kreuzerausgaben MiNr. 1 bis 21.
Damit Sie Ihre Marken mit Mühlradstempeln richtig einordnen können, sollten Sie die frühe bayerische Stempelgeschichte kennen:
- 23. Oktober 1849
- Mit der Anordnung Nr. 14540 wurde festgelegt, dass Briefmarken „vor der Abfertigung unbrauchbar respective als bereits gebraucht erkennbar gemacht werden“. Diese Anordnung legte fest, dass der Ortsstempel die Marke überdecken musste.
- 12. November 1849
- Eine zusätzliche Entwertung mittels Federstrich wurde für alle Marken angeordnet, eine kreuzweise Tintenentwertung für solche Marken, die nicht oder nur wenig vom Stempel getroffen wurden. Bei vielen „Schwarzen Einsern“, also der MiNr. 1 (1 Kreuzer schwarz), ist die Federstrich-Entwertung entfernt worden!
- 1. August 1850
- Einführung der ersten, geschlossenen Mühlradstempel („1. Verteilung“). Der Ortsstempel wurde jetzt nicht mehr auf der Marke, sondern direkt auf dem Brief angebracht. Bei Einführung des Systems gab es 402 Stempel mit alphabetisch den Postorten zugeordneten Nummern von 1 (Abensberg) bis 402 (Zwiesel). Bei der Eröffnung neuer Postanstalten wurden die neuen Nummern in Gruppen (innerhalb der Grupen alphabetisch sortiert) an die bestehende Nummerierung angehängt. (Ein Sonderfall ist die Nummer 406, die ab 16. Januar 1851 als Bahnpoststempel verwendet wurde.) Im Laufe der Jahre erreichte man so mehr als 600 Nummern, aber die alphabetische Ordnung geriet dabei natürlich völlig durcheinander. Eine von Grund auf neue Sortierung war angezeigt.
- 20. November 1856
- Die Mühlradstempel wurden eingezogen, bis zum 30. 11. 1856 wurden ausschliesslich Ortsstempel verwendet; Belege aus dieser Zeit sind bei Bayern-Spezialsammlern gesucht.
- 1. Dezember 1856
- Die Mühlradstempel kamen, jetzt alphabetisch neu sortiert, wieder in Gebrauch („2. Verteilung“). Stark abgenutzte oder sonst unbrauchbar gewordene Stempel wurden durch einen neuen Typ, den offenen Mühlradstempel, ersetzt, der allerdings nicht mehr wie ein Mühlrad aussah. Für die Bahnpost wurde jetzt ein Stempel mit „B.P.“ im Mühlrad verwendet.
Auch die mit der 2. Verteilung wieder hergestellte alphabetische Ordnung konnte nicht lange aufrecht erhalten werden, da weiterhin neue Postanstalten eröffnet wurden. Man ging dabei wie in der Zeit der 1. Verteilung vor: Neue Orte bekamen gruppenweise, innerhalb der Gruppen alphabetisch sortiert, ihre Nummern zugeteilt; diese in der 2. Verteilung neu eröffneten Postanstalten erhielten alle offene Mühlradstempel. Die Mühlradstempel wurden bis zum 9. März 1869 verwendet, bis zu diesem Zeitpunkt hatte man die Zahl 922 erreicht. Ab 10. März 1869 wurden wieder Ortsstempel verwendet, Nachverwendungen der Mühlradstempel kommen jedoch vor.
Da in der Zeit der Mühlradstempel die Ortsstempel auf dem Brief, nicht auf der Marke, abgeschlagen wurden, ist bei losen Marken oder auch Briefstücken (s. Abbildung oben) eine genaue Zuordnung zum Aufgabeort oft nicht möglich. Es gibt aber einige Anhaltspunkte:
- Die schwarze Ein-Kreuzer-Marke (MiNr. 1, „Schwarzer Einser“) trägt (fast) immer Nummern zwischen 1 und 603 aus der 1. Verteilung, da sie zur Zeit der 2. Verteilung bereits durch die am 1. 10. 1850 erschienene rote 1 Kreuzer (MiNr. 3) abgelöst worden war. Ausnahmen sind späte Verwendungen; die MiNr. 1 war bis zum 31. 8. 1864 gültig, und Postkunden konnten bis dahin ihre Restbestände aufbrauchen. (Details dazu finden Sie bei Helbig/Vogel.)
- Alle Mühlradstempel auf MiNr. 2 II Platte 5, MiNr. 6 und den Ausgaben ab MiNr. 8 gehören zur 2. Verteilung, da diese Marken erst nach der Umstellung vom 1.12.1856 erschienen.
- Auf gezähnten Marken kommen Mühlradstempel nicht vor, da sie bei Erscheinen der ersten gezähnten Ausgabe am 1. 7. 1870 bereits nicht mehr verwendet wurden.
Was Sie zu den Stempeln noch wissen sollten: Die geschlossenen Mühlradstempel haben 16 Zähne, die einzige Ausnahme ist der 1855/56 in München verwendete Stempel „217“ mit 17 Zähnen. Die offenen Mühlradstempel gab es dagegen in verschiedenen Grössen, ein Stempel (602) kommt mit falsch eingesetzter Zahl „6“ vor. 1866 wurde ausserdem probeweise im Münchener Hauptpostamt ein rhombenförmiger Stempel mit eingesetzter „325“ verwendet.
Eine mehr als 100 Jahre alte, aber immer noch brauchbare Zusammenstellung aller Mühlradstempel bietet Ihnen dieses Buch:
Johann Wilhelm Stündt:
Die Abstempelungen auf den Postwertzeichen von Bayern. Verzeichnis der Mühlradstempel nach Orten und Nummern
Hugo Krötzsch Philatelistischer Verlag, Leipzig 1917
Sie können diesen Band auf der Website der Smithsonian Libraries als → PDF-Datei herunterladen.
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Geschlossener Mühlradstempel „14“ auf Brief vom 16. 3. 1854
Ortsstempel „Aschaffenburg“, MiNr. 2 II (1. Verteilung) |
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Offener Mühlradstempel „114“ auf Brief vom 20. 9. (ohne Jahr)
Ortsstempel „Erlangen“, MiNr. 4 II (2. Verteilung) |
Literatur:
- Carl Beck und Carl Holzschuher: Die bayerischen Mühlrad-Stempel. Philatelistischer Verlag Maier & Schneider, München 1911
- Ewald Müller-Mark: Altdeutschland unter der Lupe Band 2: Bayern. 6. A., Verlag Dipl. Ing. E. Kuphal, Berlin 1964
- Hans-Henning Gerlach: Michel-Atlas zur Deutschland-Philatelie. Schwaneberger Verlag GmbH, München 1989
- Kurt Karl Doberer: Bayern-Philatelie. Phil*Creativ-Verlag, Schwalmtal 1990
- Joachim Helbig und Jürgen Vogel: Schwarzer Einser. Zum 150jährigen Jubiläum. Schwaneberger Verlag GmbH, München 1999
- Michel Deutschland-Spezial 2023. Band 1: 1849 bis April 1945. Schwaneberger Verlag GmbH, Germering 2023
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Erste Veröffentlichung am 12. Juni 2005, letzte Bearbeitung am 4. Juni 2024.
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