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Preussen MiNr. 20 und 21 (16. 12. 1866) |
Der preussische Beamte ist ein fast schon sprichwörtlicher Begriff, mit dem man Disziplin und Korrektheit assoziiert. Trotzdem war der Dienstherr, das Königreich Preussen, wenn auch nicht misstrauisch, so doch vorsichtig.
Schon die Freimarken-Ausgaben von 1857 bis 1859 (MiNr. 6–13) hatten einen speziellen Unterdruck zum Schutz vor Fälschungen. Die Marken, um die es hier geht, sind Innendienstmarken („Mittel zur Verrechnung baar erhobener Francobeträge“), die dem p.p. Publikum gar nicht zugänglich waren, aber – man kann ja nie wissen …
Immerhin betrugen die Nominale dieser beiden Werte 10 und 30 Silbergroschen, und das war 1866 eine Menge Geld; ein Tagelohn in der Landwirtschaft lag bei 10 bis 15 Silbergroschen.
Für diese Ausgaben liess sich der Direktor der Staatsdruckerei, Johann Wilhelm Wedding, etwas ganz Besonderes einfallen, um eine Mehrfach-Verwendung der Marken auszuschliessen. Im Michel Deutschland-Spezial 2006 wird die verwendete Drucktechnik als Löwenberg-Technik beschrieben. Tatsächlich hat Henry Loewenberg (auch als Lowenberg geschrieben) mehrere Patente zur Herstellung fälschungssicherer Papiere angemeldet, und bei Krötzsch ist das relevante Patent Loewenbergs im Zusammenhang mit diesen Marken sogar in deutscher Übersetzung wiedergegeben, aber Müller-Mark zitiert einen Artikel des bekannten Philatelisten Carl Lindenberg, der 1922 nachgewiesen hat, dass die Loewenberg’schen Techniken für diese Ausgabe nicht verwendet wurden.
Nach der langen Vorrede sollen Sie jetzt endlich auch erfahren, was denn nun eigentlich an diesen Marken so speziell ist. Die Abbildung oben zeigt einen normalen (Auflicht-)Scan dieser zwei Werte. Was passiert, wenn man eine Marke im Durchlicht, also wie ein Diapositiv, einscannt? Zu erwarten wäre ein schwarzes Rechteck, denn eine Briefmarke ist ja nicht durchsichtig. Nun schauen Sie sich einmal an, wie die MiNr. 20 und 21 im Durchlicht aussehen:
Diese beiden Marken sind tatsächlich durchsichtig!
Das spezielle Herstellungsverfahren stellt sicher, dass man diese Marken nicht von der Unterlage, auf der sie aufgeklebt sind, ablösen und ein zweites Mal verwenden kann: Das Papier wurde mit einer speziellen Lösung behandelt und dadurch transparent. Das Markenmotiv wurde von hinten spiegelverkehrt (im philatelistischen Sinn, also als Positiv) aufgedruckt, und auf diese Bildseite wurde dann die Gummierung aufgebracht.
Schauen wir dazu noch einmal bei Krötzsch nach:
Den endgültigen Bestimmungen des General-Post-Amtes gemäss fertigte der Stempelschneider Schilling hierauf zwei Stempel, welche genau in der eingangs beschriebenen Zeichnung der später zur Ausgabe gelangten Freimarken ausgeführt sind. Diese beiden Stempel wurden jedoch nicht in der bisher üblichen Weise negativ, sondern nach dem Patent Löwenbergs positiv gestochen, d.h. die Stempelfläche zeigt nicht wie bei allen übrigen Druckstempeln, Pettschaften u.s.w. verkehrte, d.h. von rechts nach links laufende Inschriften (Spiegelschrift), sondern ist wie gewöhnliche geschriebene oder gedruckte Schrift von links nach rechts lesbar. […]
Der eigentliche Druck der Marken vollzog sich dergestalt, dass man zunächst das zur Herstellung dieser Freimarken eingeführte blasenartige Ölpapier mit einer dünnen kollodium- und gelatinehaltigen Flüssigkeit bestrich, hierauf diese Papierseite mit den (positiv geschnittenen) Druckformen in der gewöhnlichen Weise bedruckte und nach dem Trocknen des farbigen Buchdruckes wie bisher, jedoch eigentümlicherweise auf der bedruckten Seite des Papiers, gummierte.
Auf dieser Druckseite erschien nämlich die Bildfläche der Marken natürlich ‚negativ‘, auf der anderen Seite dagegen ‚positiv‘, da das blasenartige Ölpapier zumal nach Anfeuchtung des Gummis die Schrift und Verzierung der Marken deutlich durchscheinen liess. Die Marken wurden daher auf der eigentlichen bedruckten aber negativ-lesbaren Seite gummiert und aufgeklebt.
Zugleich hatte diese allerdings etwas umständlichere Herstellungsweise noch den Vorteil, dass sich die mit dem farbigen Buchdrucke versehene dünne Kollodium-Gelatineschicht inniger mit dem Gummi als mit dem glatten Ölpapier verband und daher bei einem Versuch, eine einmal aufgeklebte, d.h. verwendete Marke wieder vom Briefumschlag abzulösen und noch einmal zu verwenden, an dem in das Brief(umschlags)papier eingezogenen Gummi haften blieb, so dass der Betrüger nur ein unbedrucktes, daher wertloses Stück Ölpapier vom Briefe ablösen konnte.
Wer auch immer die Idee hatte, Loewenberg oder Wedding – diese Marken sind im Gebiet Altdeutschland, wahrscheinlich sogar in der gesamten Philatelie, einmalig; die philatelistischen Lexika führen keine anderen so hergestellten Marken auf (1). Das sehr spezielle Papier dieser Ausgabe wird in der Literatur als Kollodiumhaut, Goldschlägerhaut oder blasenartiges Papier bezeichnet.
Jeder Versuch, die Marke vom Papier abzulösen, führt unweigerlich zur Zerstörung des Markenbildes. Was damals als Schutz vor betrügerischen Massnahmen gedacht war, bedeutet für die Philatelisten heute, dass Sie niemals versuchen sollten, eine solche Marke von der Unterlage zu entfernen. Die Marken sind übrigens nicht nur wasserlöslich, sondern reagieren auch empfindlich auf Benzin, dessen Anwendung sich daher ebenfalls verbietet.
Das Papier ist sehr dünn; der Durchstich (10) ist meist fehlerhaft, da es leicht einreisst. Marken mit perfektem Durchstich werden mit deutlichen Aufschlägen auf die Katalogpreise gehandelt.
Literatur:
Copyright © 2006 und verantwortlich für den Inhalt:
Erste Veröffentlichung am 9. August 2006, letzte Bearbeitung am 9. August 2006.
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