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Frankreich – Emission de Bordeaux – die Ceres-Ausgabe 1870/71

80 C. Bordeaux
Bordeaux-Ausgabe 80 Centimes

Historischer Hintergrund – warum entstand die Emission de Bordeaux?

      Wie die Ballonpost ist auch die Bordeaux-Ausgabe (im Französischen oft kurz les Bordeaux genannt) eine direkte Folge des deutsch-französischen Krieges und der Belagerung von Paris: Man benötigte im nicht besetzten Teil Frankreichs, trotz des kriegsbedingt verminderten Postaufkommens, irgendwann neue Briefmarken. Die Bestände ebenso wie die für den Druck benötigten Druckplatten befanden sich aber in Paris und waren damit nicht zugänglich. Was tun?

      In Paris entstand aus dem dort vorhandenen Material – nachdem mit der Gründung der Dritten Republik am 4. September 1870 natürlich eine Neuauflage der Ausgabe Empire Lauré nicht infrage kam – die Ausgabe Siège de Paris (1), für die man die Ceres-Druckplatten der Ausgabe 1849 verwendete. Die Napoleon-Marken blieben weiterhin gültig.

      Die „Exil-Postverwaltung“ für das nicht besetzte Frankreich in Tours – der Directeur de l’Administration des Postes, Rampont-Liéchin, sass in Paris fest – stand unter der Leitung von F.-F. Steenackers (2). Am 30. September 1870 entschied der Vertreter des Finanzministeriums in Tours, neue Briefmarken von der Monnaie de Bordeaux herstellen zu lassen. Deren Direktor Delbecque gab den Auftrag an die Firma Augée-Delile in Bordeaux.

      Mit Vermerk „Tours, le 22 Octobre 1870“ gab es ein von Steenackers unterzeichnetes Bulletin Mensuel de l’Administration des Postes mit dem Titel Fabrication de nouveaux timbres-poste et de chiffres-taxe par la monnaie de Bordeaux. Damit war diese Ausgabe amtlich angeordnet.

      Hermand weist darauf hin, dass damit Ende 1870 in Frankreich vier verschiedene Markenausgaben gleichzeitig gültig und in Gebrauch waren:

  1. Die immer noch gültigen Empire-Ausgaben,
  2. die deutschen Ausgaben für Elsass-Lothringen,
  3. die Ceres Siège de Paris und
  4. die Ceres Bordeaux.

 

Der Druck der Emission de Bordeaux

      Augée-Delile hatte keine Erfahrung mit dem Buchdruck (typographie) und auch nicht die nötigen Materialien und druckte die Marken daher im Steindruck (lithographie). Das macht les Bordeaux zur einzigen französischen Markenausgabe der Klassik, die in diesem Verfahren gedruckt wurde!

      Um die französische Terminologie zu verstehen, die man bei den Bordeaux in den Katalogen findet, müssen wir uns die Drucktechnik näher anschauen. Der erste Schritt beim Steindruck ist der report (deutsch Übertrag), die Vervielfältigung des Motivs vom Urstein. Vom Urstein werden Drucke auf speziellem Papier (papier à report) abgenommen und auf den Umdruckstein (pierre matrice) übertragen. Ein solcher Stein hatte bei den Bordeaux drei Reihen à fünf Marken; das Ensemble von fünfzehn Marken vom selben Stein wird als bloc-report bezeichnet, ein Abdruck auf papier à report heisst épreuve du bloc-report.

80 C. Bordeaux
Ein kompletter bloc-report mit 15 Marken (YT 49c) wurde im September 2013 beim Württembergischen Auktionshaus versteigert. Solche Stücke sind heute selten; dieses ist ein besonders schönes Exemplar.
(Abb.: → Württembergisches Auktionshaus, Los-Nr. 427 der 119. Auktion, 6.–7. September 2013, Ausruf € 6000,–; zum Startpreis zugeschlagen)

      Da der komplette Druckbogen 300 Marken enthielt (zwei Schalterbogen zu je 150 Marken), benötigte man für die Herstellung des eigentlichen Drucksteins also 20 solcher Abzüge. Da sich die Drucksteine im Laufe der Zeit abnutzten, waren gelegentliche Neuanfertigungen erforderlich; im YT finden Sie bei dieser Ausgabe „report 1“ bis „report 3“; die Marken werden durch Grossbuchstaben A–C nach der Katalognummer unterschieden. Die weniger häufig gebrauchten höheren Wertstufen (30, 40 und 80 Centimes) existieren jeweils nur in einer Version. Die beste Darstellung der Unterschiede zwischen den verschiedenen reports mit sehr detaillierten Schemazeichnungen finden Sie bei Barat/Suarnet.

      Diese Ausgabe ist wegen der etwas behelfsmässigen Bedingungen, unter denen sie hergestellt wurde, reich an Varianten. Der Druck variiert von sehr fein bis verschmiert, es gibt zahlreiche Druckzufälligkeiten wie z. B. schwache oder ganz ausgefallene Randlinien (Abb. links: fast komplett fehlende rechte Randlinie). Ebenso sind diese Marken wegen der nicht konstant zur Verfügung stehenden Farben durch eine Vielzahl von katalogisierten (und noch mehr nicht katalogisierten) Farbvarianten gekennzeichnet. Die Herstellung der Bordeaux endete am 14. März 1871.

 

Besonderheiten bei der Emission de Bordeaux

      Schon Hermand bemerkte 1901 eine inkonstant auftretende weisse Randlinie hinter dem Kopf, die diesen zum homogenen Hintergrund abgrenzt. Eine Erklärung dafür hatte er nicht – die gibt es meines Wissens immer noch nicht –, aber diese Linie wird z. B. im YT beim 1-Centime-Wert als Charakteristikum des report 2 aufgeführt. Das Vorkommen ist unregelmässig: Die 80-Centimes-Marke zeigt diese Linie nie, beim 30-Centimes-Wert kommt sie fast regelmässig, aber auch nicht immer, vor, obwohl es von dieser Wertstufe nur einen report gibt (Abb. links; Vergleichsstück mit deutlich geringerer Ausprägung der weissen Linie daneben).


Fussnoten:

  1. Diese Ausgabe wird im Michel, unter völligem Ignorieren des historischen Hintergrundes, rein deskriptiv als Ceres – Halsschatten in Punkten bezeichnet. Wie war das noch mit „Philatelie bedeutet Geschichte lernen“?
  2. Steenackers schrieb später ein Buch über diese turbulente Zeit, das 2012 neu aufgelegt wurde. Sie finden es bei der Literatur zur Postgeschichte.

Literatur:


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Erste Veröffentlichung am 2. September 2013, letzte Bearbeitung am 25. November 2013.


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