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Einleitung – Ganzsachen und Ganzstücke – keine halben Sachen

      Ganzsachen gab es in vielen klassischen Sammelgebieten, die wohl bekannteste Form, die Postkarte, kam jedoch erst Mitte/Ende der 1860er Jahre in Gebrauch, so dass Sie solche Ausgaben beispielsweise erst sehr spät im Gebiet Altdeutschland, aber bei den Stati Antichi (Altitalien) überhaupt nicht finden. Altdeutschland bietet dem Sammler dafür eine grosse Zahl von Briefumschlägen.

      Hägers Großes Lexikon der Philatelie definiert Ganzsachen als „postamtlich verausgabte Briefumschläge, Postkarten, Kartenbriefe, Streifbänder u. a. mit Wertstempeleindruck in Höhe des erforderlichen Portos im Muster der Dauermarken, aber auch von Sonder- und Gedenkmarken oder in gänzlich anderer Bildgestaltung […]“.

      Entscheidend ist hier der Punkt „mit Wertstempeleindruck“; ein ganzer Brief (auch ein offiziell verausgabter Ersttagsbrief in der modernen Philatelie), eine frankierte Paketkarte oder ein Streifband mit aufgeklebter Marke ist keine Ganzsache, sondern ein Ganzstück. Eine Ganzsache kann allerdings durchaus auch zusätzlich zu dem eingedruckten Wertstempel noch eine aufgeklebte Marke tragen, wenn etwa eine Inlandspostkarte per Luftpost nach Übersee verschickt wurde.

      Der Ganzsachenausschnitt ist eine spezielle Verwendung: Der Wertstempel wurde dabei aus einer Postkarte oder einem Briefumschlag heraus geschnitten und als Frankatur auf einen Brief geklebt. Nur in wenigen Postgebieten war diese Verwendung offiziell zugelassen, Beispiele dafür sind Genf und Preussen; in Lübeck wurde sie „geduldet“.
      Sammler sollten nie den Wertstempel aus einer Ganzsache ausschneiden, diese barbarische Verstümmelung macht das Stück wertlos, da sich kaum jemand für diese Ausschnitte interessiert. Gesammelt wird immer die ganze Karte, Postanweisung etc.

      Ganzsachen sind älter als Marken, an anderer Stelle habe ich bereits die „Sardischen Pferdchen“ (Cavallini di Sardegna oder Cavallini Sardi) erwähnt. Bei diesen Briefbogen stellte der eingedruckte Wertstempel allerdings nicht die Beförderungsgebühr dar, sondern die Gebühr, die man dafür entrichtete, dass man den Brief durch einen privaten Boten und nicht durch die staatliche Post befördern liess. Trotzdem werden diese Blätter zu den ersten Ganzsachen überhaupt gezählt.
      Es gab drei Wertstufen: 15 Centesimi (C) mit rundem, 25 C mit ovalem und 50 C mit achteckigem Wertstempel. Diese Wertstempel waren in der ersten Auflage (3. Dezember 1818, gültig bis 1. Januar 1820) blau gedruckt; sie hatten eine Umrahmung mit Linien. In der zweiten Auflage (13. November 1819, gültig wahrscheinlich bis 31. Dezember 1836) wurden sie im Prägedruck auf die Papierbogen aufgebracht; diese Wertstempel sind farblos mit einem Perlenkranz als Umrahmung.

Cavallini di Sardegna, Wertstempel der ersten Ausgabe Cavallini di Sardegna, Wertstempel der zweiten Ausgabe
Sardische Pferdchen, Wertstempel der 1. (links) und 2. Ausgabe (rechts)
(Abbildungen aus Haas 1906)
Cavallini di Sardegna, 15 C Cavallini di Sardegna, 15 C
Sardisches Pferdchen, 15 C (Centesimi); 2. Ausgabe, farbloser Wertstempeleindruck

Ganzsachen

Postkarten

      Postkarten waren bei ihrer Einführung sehr umstritten; als in Deutschland 1865 das erste Konzept zu dieser Idee vorgelegt wurde, hiess es, dass es „unmoralisch“ sei, unverschlossene Nachrichten zu verschicken. Die ersten Postkarten, Correspondenz-Karten genannt, wurden am 1. 11. 1869 in Österreich eingeführt. Diese waren bereits echte Ganzsachen, da sie einen eingedruckten Wertstempel im Muster der damaligen Dauermarke hatten. Als der Norddeutsche Postbezirk die Idee am 1. 7. 1870 in Deutschland erstmals umsetzte, waren diese Karten nur Vordrucke, auf die der Postkunde die Marke selbst aufkleben musste. Eine „richtige“ Ganzsachen-Postkarte erschien in Deutschland erst, von der Reichspost verausgabt, am 1. 1. 1873.

Jubiläumskarte der Berliner Packetfahrt

      Obwohl die vom Absender selbst zu frankierende, bebilderte Karte („Ansichtskarte“) heute die wohl verbreitetste Form der Postkarte darstellt, sind für den Philatelisten die Ganzsachen-Postkarten die interessanteren Stücke, da es sich um offizielle Ausgaben der jeweiligen Postanstalten handelt. In neuerer Zeit gibt es auch von staatlichen Postverwaltungen vermehrt Postkarten, die nicht nur das eingedruckte Motiv einer Dauerserie enthalten, sondern, analog zur „Sondermarke“, auch im Motiv auf bestimmte Ereignisse hinweisen.

      Zu speziellen Anlässen verausgabte Gedenk-Postkarten gab es schon vor mehr als hundert Jahren bei den deutschen Privatpostanstalten (die links oben abgebildete Karte wird im Detail auf dieser Seite vorgestellt). Auch bei der deutschen Reichspost gab es Karten zu speziellen Anlässen (Abb. links unten; damals wie auch hundert Jahre später hatte man mehrheitlich nicht begriffen, dass eine Jahrhundertwende nicht beim Übergang 99/00 stattfindet …).

Sonderkarte „1900“ der Deutschen Reichspost

 

Postkarte aus Deutsch-Ostafrika (1897)
Entwertung mit Datumsstempel auf der Marke, Ankunftsstempel auf der Vorderseite

 

Umschläge

      Briefumschläge gab es insbesondere im Gebiet Altdeutschland in grosser Zahl. Die Anschaffung spezieller Literatur ist unumgänglich, wenn Sie sich mit diesen Ausgaben näher beschäftigen wollen.

Umschlag Hamburg Umschlag Hamburg

      Der vergrösserte Ausschnitt der Rückseite zeigt, worauf Spezialsammler bei altdeutschen Umschlägen achten:
      Zunächst ist der Klappenschnitt wichtig, also die Aussenkontur oder Form der Umschlagklappe, z. B. geschweift, unterschiedlich stark gerundet etc. Der Klappenstempel, im Bild oben gut erkennbar, wurde üblicherweise in farblosem Prägedruck ausgeführt; er war als Schutz vor Fälschungen gedacht. Der dritte wichtige Punkt ist die Gummierung; hier unterscheiden Spezialisten die kurze Gummierung, die nur einen Teil der Klappe erfasst und meist von Hand aufgetragen wurde, von den (maschinell aufgebrachten) halblangen und langen Gummierungen.

Später gab es auch Umschläge zu besonderen Anlässen:
Sonderumschlag der Deutschen Reichspost zum 25-jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Wilhelm II.

 

Streifbänder

Streifbänder mit eingedrucktem Wertstempel von Helgoland
Streifbänder aus Helgoland mit eingedrucktem Wertstempel

      Streifbänder mit Wertaufdruck (und nur dieser macht sie ja zur Ganzsache) wurden 1861 in den USA eingeführt, hatten aber keine lange postalische Karriere; etwa um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatten die meisten Postverwaltungen ihre Herstellung schon wieder aufgegeben.

      Ein Streifband mit aufgeklebter Marke ist keine Ganzsache, sondern ein Ganzstück (s. u.). Es gibt eine berühmte deutsche Marke, die ausdrücklich zur Verwendung als Streifband-/Kreuzbandmarke verausgabt wurde: Die rote 3 Pfennig Sachsen (MiNr. 1), der so genannte „Sachsendreier“. Die Marke wurde beim Zeitungsversand unter Streifband häufig vom Streifband auf die Zeitung übergehend aufgeklebt, um das Streifband gegen Verrutschen zu sichern, oder sie wurde so angebracht, dass sie das Streifband an dessen verklebtem Rand zusammen hielt. Ein kurzer energischer „Ratsch“ mit Brieföffner oder Zeigefinger trennte das Streifband – und zerstörte dabei natürlich die Marke. Dies ist der Grund dafür, dass heute nur noch einige tausend Exemplare dieser Marke existieren (nach Bühler 3–4000), obwohl sie in einer für eine klassische Marke relativ hohen Auflage von 500 000 Stück gedruckt wurde.

 

Postanweisungen

Postanweisung Braunschweig
Postanweisung Braunschweig

      Zu den weniger bekannten Ganzsachen gehören die Postanweisungen. Ihr ausgeprägter Formular-Charakter lässt sie oft nicht sonderlich attraktiv erscheinen, trotzdem sind klassische Ausgaben bei Spezialisten gesucht.


Ganzstücke

Briefe

      Die Marke auf einem kompletten Brief hat ihren eigenen Reiz – hier hat man den eindeutigen Beweis der postalischen Verwendung. (Abb. oben: Brief an den Bischof von München und Freising mit Bayern MiNr. 4II.) Früher haben Sammler gelegentlich die Vorderseite des Briefes abgetrennt und den Rest weggeworfen (siehe Free Fronts in Grossbritannien), ein derart verunziertes Stück zählt nicht mehr als Brief oder Ganzstück, sondern nur nur noch als Briefstück. Gerade in der Klassik ist der ganze Brief viel interessanter, da sich nur daran Postrouten und spezielle Transport-Vermerke feststellen lassen, wie dieses Beispiel eines Briefes aus der Toscana nach Neapel zeigt:

Brief Toscana nach Neapel Brief Toscana nach Neapel
Die Rückseite trägt den Stempel Transito per lo Stato Pontificio

      Philatelisten suchen mehrheitlich Briefe mit portogerechter Frankatur und versuchen, verschiedene Brieftypen (normale Briefe, Eilsendungen, Einschreiben, Wertbriefe etc.) zu dokumentieren. Zusätzliches Interesse finden Mischfrankaturen mit Marken verschiedener Ausgaben.

Einschreiben von Jaluit (Marshall-Inseln) nach Deutschland

      Eine spezielle Form ist der so genannte Satzbrief. Bei diesen Stücken wird eine komplette zusammen gehörende Ausgabe zur Frankatur verwendet, wodurch der Brief natürlich erheblich überfrankiert wird. Streng genommen sind solche Briefe philatelistische Mache (ähnlich einem modernen Ersttagsbrief); sie werden weniger hoch bewertet als portogerechte Einzelfrankaturen.

Satzbrief mit der MiNr. 5a bis 10 von Deutsch-Südwestafrika

 

Andere Ganzstücke

      Die bei den Ganzsachen erwähnten Postanweisungen und Streifbänder gab es auch ohne Wertstempeleindruck, solche frankierten und gebrauchten Stücke zählen dann ebenfalls zu den Ganzstücken, dasselbe gilt natürlich für Postkarten ohne Werteindruck.

      In moderner Zeit beliebt sind auch Paketkarten mit ihren oft hohen Frankaturen; Sammler von Heuss- und Posthorn-Ausgaben wissen, was ich meine.
      Es gibt sie allerdings schon seit sehr langer Zeit: Die Geschichte der Paketkarte reicht weit zurück; 1854 wurde z. B. in Preussen der Paketaufgabezettel mit dem Paketbegleitbrief eingeführt. Ebenso wie Belege der Vormarkenzeit sind Paketkarten bei posthistorisch orientierten Sammlern beliebt, weil sie viele Informationen über Postrouten, Grenzpostämter und Postverträge enthalten können.

Paketkarte 1918
Zwei Beispiele aus der Spätklassik:
Oben: Begleitschein eines 3,3 kg schweren Paketes von Karbitz in Böhmen (heute Tschechien) nach Olten in der Schweiz aus dem Jahr 1918. Beachten Sie die zahlreichen Vermerke wie z. B. den Stempel bezüglich des „Valutaübereinkommens“ und den Stempel des Grenzpostamtes Feldkirch.
Unten: Vorder- und Rückseite einer Postpaketadresse von Esslingen am Neckar nach Langenthal über Romanshorn (1920).
Paketkarte 1920 vorne Paketkarte 1920 hinten

      Zum Versand von Zeitungen gab es spezielle Zeitungsmarken, deren wohl bekannteste Vertreter die österreichischen Merkur-Ausgaben sind. Auch „normale“ Marken konnten allerdings zum Zeitungsversand verwendet werden; diese Verwendung lässt sich dann nur anhand eines Zeitungsausschnitts oder der ganzen Zeitung mit der aufgeklebten Marke belegen.

Zeitung Modena
Modena; Corriere Italiano vom 30. 4. 1855 mit aufgeklebter Marke und übergehendem Stempel

 

Nachtrag Anfang 2021: Literatur zum Thema

      Neben den unten zitierten Werken (die ich beim Schreiben dieser Seite verwendet habe) gibt es für Klassiksammler ein Standardwerk zum Thema Ganzsachen: Den Katalog, der bei Philatelisten einfach als „der Ascher“ bekannt ist.
      Das zweibändige Werk (links; oft finden Sie auch beide Bände in einem zusammen eingebunden) erschien 1925/1928, deckt also die Klassik komplett ab. Es gibt ausserdem einen Neudruck von 1988, der mit einem – heute natürlich überholten – 216-seitigen Anhang mit Preisnotierungen das schon im Original umfangreiche Werk auf über 1600 Seiten erweitert. Vom selben Autor erschien (gemeinsam mit Th. Junker) 1930 noch ein Band „Die Deutschen Ganzsachen 1850–1930“.

Siegfried Ascher:
Grosser Ganzsachen-Katalog 1925. Band I: Afghanistan–Mittelkongo. Verlag von Robert Noske, Borna-Leipzig.
Grosser Ganzsachen-Katalog 1928. Band II: Moçambique–Württemberg. Verlag von Robert Noske, Borna-Leipzig.


Literatur:


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Erste Veröffentlichung am 11. Dezember 2005, letzte Bearbeitung am 26. August 2023.


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